Wohl niemand von den Besuchern, die heute für kürzere oder auch längere Zeit in
Ottobeuren verweilen, kann sich vorstellen, wie dieser etwa 1500-jährige,
geschichtsträchtige Ort gegründet wurde.
Wenn Besucher aus allen Himmelsrichtungen mit
Privatwagen, Taxi oder Bus in Ottobeuren eintreffen, wandert ihr Blick
meistens zuerst zur mächtigen Basilika mit ihren Klostergebäuden.
Niemand
denkt daran, dass gerade der Boden, den er soeben betrat, einst
unwegsames Gelände, Moor, Sumpf und dichtbewaldetes Gebiet war.
Trotzdem
hatte es ein Mann damals gewagt, hier Fuß zu fassen, den Wald zu roden
und eine menschliche Siedlung zu gründen. Was noch viel früher jagende
und fischende Steinzeitleute nicht schafften, nämlich hier sesshaft zu
werden, war einem Mann mit Namen Uot zur Lebensaufgabe geworden. An der
Stelle, wo sich heute der Marktplatz befindet, stürzten unter den
Axtschlägen der Uotbauern alsbald die ersten Baumriesen.
Aus rohen
Balken wurden Hütten gezimmert, Vieh wurde angeschafft, Felder bestellt.
Nur ein paar Hütten mitten im Walde beherbergten die Uotsippe. Uot, der
Schwabe, hatte im 5. Jahrhundert Ottobeuren gegründet.
Jahrzehnte später stand hier zwischen Eichen, Buchen und Erlen das kleine Dorf, Uotenburen, das später Ottobeuren genannt wurde.
Missernten
und Krankheiten ermöglichten nur ein karges Leben. Mit den Franken, die
immer wieder ins Land einfielen, wurden wilde Kämpfe ausgetragen.
Besonders schlimm stand es im Jahre 746, dem Schreckensjahr der
Schwaben. Immer noch herrschte Krieg mit den Franken. Zahlreiche Dörfer
wurden überfallen, verbrannt, und Frauen und Männer wurden verschleppt.
Das schwäbische Siedlungsgebiet wurde in fränkische Gaue aufgeteilt.
Strenge Gesetze erschwerten den Bauern das Leben.
Der Franke Silach wurde nach Ottobeuren entsandt und zum Zehentgrafen des Günztales ernannt.
Im
Auftrag des fränkischen Königs gab er bekannt, dass Ottobeuren nun zum
Illergau gehört, welcher wiederum in Centenen eingeteilt war. Das
Christentum wurde eingeführt, und alle Einwohner mussten sich taufen
lassen. Die Uotsiedlung wurde enteignet und ein Reichshof wurde gebaut.
Außerdem gab Silach bekannt: "Meinem König ist von jetzt an der Zehent
abzugeben, wer meutert, Waffen trägt, geheime Versammlungen abhält, wird
mit dem Tode bestraft". Die Bewohner des Uothofs mitsamt dem Dorfmeier,
dem damaligen Bürgermeister, mussten ausziehen und wurden bei Nachbarn
aufgenommen.
In Uots Hof selbst saß nun der Graf Silach, umgeben von
schwerbewaffneten Schergen. Seine Soldaten durchstreiften die Wälder,
holten sich, was sie brauchten und ritten von Dorf zu Dorf, um die neuen
Gesetze zu verkünden.
An der Stelle entstand nun ein großer
fränkischer Vierecksbau mit Scheunen, Stallungen, Wagnerei, Schmiede und
Kirche. Daneben entstanden das Gästehaus mit Soldatenunterkunft, das
Gefängnis und die Mühle. Alles zusammen hieß, da es dem Reich, und nicht
dem Grafen gehörte, Reichshof. Die den Bauern abgenommenen Felder
hießen jetzt Königsfelder. Da Ottobeuren bereits eine Kirche besaß,
mussten alle Leute aus der Umgebung solange die Kirche in Ottobeuren
besuchen, bis sie ihre eigene erbaut hatten. Die Söhne des Grafen
Silachs, der Regionalbischof Gauzibert, und Toto, der Kämmerer des
Bischofs von Vienne und 1. Abt von Ottobeuren, brachten im Jahre 764
Reliquien des hl. römischen Märtyrers Alexander nach Ottobeuren, dessen
Kirche ihm geweiht wurde. Der hl. Ulrich, der vorübergehend Abt von
Ottobeuren war, überführte den Leib des hl. Theodor von Bischofszell im
Kanton Thurgau nach Ottobeuren.
Unter Abt Rupert 1. (1102 - 1145)
wurde der notwendige Bau eines Klosters mit Kirche vollendet. 1152
wurde durch einen Brand beides vernichtet. Das Kloster wurde wieder
aufgebaut und 1217 wieder durch einen Brand völlig zerstört. Immer
wieder wurde auf den romanischen Fundamenten aufgebaut. Plünderungen
während des Bauernkrieges (1525) brachten erneut schwere Beschädigungen
der Gesamtanlage des Klosters Ottobeuren.
Abt Kaspar Kindelmann
unternahm einen neuen Kirchbau und stellte diesen 1558 fertig. Wiederum
brannte das Kloster ab, und abermals wurde es um 1566 wieder aufgebaut.
Die
Schwedenbesetzung während des Schwedenkrieges brachte schwere
Zerstörungen und Bauschäden. Die Anlage wurde baufällig, was zum
Beschluss für den Bau einer neuen Klosteranlage mit Kirche beitrug.
Mit dem Anschluss an den Benediktinerorden (im 8. Jahrhundert), der
als der älteste der Welt gilt, begann eine 1200 jährige Geschichte mit
Höhen und Tiefen. Auf- und Niedergang wechselten sich ab, und als man
glaubte, alle Auseinandersetzungen, Kriege, und Glaubensspaltungen mit
Errichtung des monumentalen Bauwerkes von Kloster und Kirche überstanden
zu haben, brachte 1802, knapp 35 Jahre nach Fertigstellung der Kirchen-
und Klosteranlagen, die Säkularisation einen erneuten Rückschlag. Das
Klosterwappen über dem Hauptportal wurde als Zeichen des Besitzwechsels
durch das bayerische Wappen ersetzt. Alles was bisher dem Kloster
gehörte, ging in Staatsbesitz über.
Die Verschleuderung des
Klosterbesitzes begann am 21. März 1803. Gemälde, andere wertvolle
Gegenstände, Pferde, Ochsen und Fahrzeuge wurden bis Ende Juni
versteigert. Wälder wurden erst später verkauft, und zwar zwischen 1818
und 1825 ca. 500 Tagwerk Wald. Noch heute befindet sich der westlich von
Ottobeuren liegende Bannwald in Staatsbesitz.
Mit dem Kloster
verschwand auch die Klosterpfarrei. Markt und Klosterpfarrei wurden
vereinigt. Nach Erklärung der bisherigen Klosterkirche zur Pfarrkirche
der neu organisierten Pfarrei war die alte Pfarrkirche St. Peter am
Marktplatz überflüssig. Diese sollte zunächst versteigert werden, was
aber die Marktgemeinde zu verhindern wusste. Die bereits seit einigen
Jahren geschlossene Kirche wurde 1813 in ein Schulhaus umgebaut. Auch
der Friedhof, der die Kirche umgab, verschwand. Marien- und
Alexanderbrunnen konnten ebenfalls nicht an ihrem Platz bleiben, so dass
der Marktplatz in seinem Aussehen einschneidende Veränderungen erfuhr.
Der ehemalige Pfarrhof der Kirche fand 1810 einen privaten Käufer,
ebenso das ihm benachbarte ehemalige Schulhaus. Aus ersterem entstand
die Weinstube zum Ratskeller (früher zum alten Pfarrhof), letzteres ist
heute bekannt als Gasthaus zum Ochsen (Pizzeria Roma). Die
Wallfahrtskirche in Eldern wurde abgebrochen, sie war nun ebenfalls
überflüssig, nachdem die Wallfahrt 1803 verboten wurde. Kirche und
Kloster wurden verkauft. Das gleiche Schicksal widerfuhr dem Kirchlein
"St. Marx im Walde" im Günztal, nördl. von Ottobeuren. Für das ehemalige
Benediktinerinnenpriorat Kloster Wald wurde ein Interessent gefunden,
so dass dieses in seiner Gesamtanlage erhalten bleiben konnte. St.
Michel, die Buschelkapelle, wurde vorübergehend ein Jagdschlösschen für
einen Adeligen und blieb so ebenfalls erhalten. Bereits im vorigen
Jahrhundert konnte die Buschelkapelle ihrer alten Bestimmung zugeführt
werden.
Anzunehmen ist, dass es schwer war, für solch ein Gebäude
einen Käufer zu finden. Ein kleiner Teil des Gebäudes stand dem in
Ottobeuren verbliebenen Konvent zur Verfügung. Andere Räume dienten als
Rentamt und als Landgericht. Der andere, der größere Teil des Hauses
stand leer. 1812- 1814 wurde das Kloster Kriegsgefangenenlager für
französische Kriegsgefangene. Später baute man einzelne Wohnungen ein,
die jedoch schwer zu vermieten waren. Der südliche Trakt des Klosters
wurde zur sogenannten Kaserne, welche heute Eigentum der Spitalstiftung
St. Josef , Ottobeuren ist und als Wohnanlage für Bedürftige dient, aber
im Volksmund immer noch Kaserne genannt wird.
Die Zahl der Mönche verringerte sich laufend, da Neuaufnahmen nicht mehr möglich waren. Trotz Enteignung der Besitztümer konnte das Mönchtum in Ottobeuren nicht ausgelöscht werden. Unentwegt setzten die Mönche unter widrigen Bedingungen ihre Arbeit und ihre Treue zum Benediktinerorden fort. 1834 wurde ihre Ausdauer belohnt, als König Ludwig I. den Orden wieder errichtete.
Dank des Einsatzes und der Bemühungen von Abt Placidus Glogger St. Stephan-Augsburg und Freiherr Theodor v. Cramer-Klett verfügte Papst Benedikt XV. die Wiedererrichtung der Abtei Ottobeuren. Bereits 1919 wird dies durch den Freistaat Bayern anerkannt. 1926 erhebt Papst Pius XI. die Kirche zur BASILIKA MINOR. 1964 erfolgt zur 1200-Jahrfeier der Abtei die Renovierung und Erneuerung von Kloster und Kirche.